Ein Interview mit Diplom-Sportwissenschaftler Philip Messerschmidt zum Thema Sport und Ernährung:
Im Winter lassen viele Hobby-Sportler oft das Training ein bisschen schleifen und greifen gleichzeitig gerne zu schwererem Essen, geistreichen Getränken und Kuchen, Keksen, Süßigkeiten … Passend zum Frühlingsbeginn hat man dann gerne ein paar Pfunde mehr auf den Hüften. Geht uns jedenfalls jedes Jahr so … Schlimm?
Wenn man nicht gerade Wintersportler oder gar Leistungssportler ist oder als Hobbyathlet ein Saisonhighlight recht früh im Jahr hat, ist das generell erstmal gar kein Problem. Selbst erfolgreiche Profis wie Jan Ullrich waren ja sogar bekannt dafür, mit nicht gerade optimalem Wettkampfgewicht zum Saisonauftakt anzutreten, um dann später „auf den Punkt“ fit zu sein. Im Gegenteil: Eine längere Pause vom Sport, in der man sich auch mal einen Nachschlag vom Lieblingsessen plus Nachtisch gönnt und auch ein zweites Glas Wein dazu trinkt, können für Geist und Körper auch eine willkommene Abwechslung sein. Irgendwann kommt bei den meisten dann aber automatisch der Punkt, wo wieder die Lust auf den Sport zurückkehrt. Das ist gleichzeitig auch der Moment, ab dem man sich wieder vermehrt mit der Ernährung auseinandersetzen sollte. Ein paar kleine Fettpölsterchen können manch einen da sogar zusätzlich motivieren …
Was gibt es denn zu beachten hinsichtlich Sport und Ernährung?
Generell sollte man als Sportler zunächst einmal wieder vermehrt darauf achten, den ganzen ungesunden Kram wegzulassen oder zumindest weitestgehend zu reduzieren, zuvorderst natürlich raffinierten Zucker und Alkohol. Wenn man stattdessen bei dahingehend aufkommenden Gelüsten dann wieder regelmäßig ein großes Glas Wasser trinkt, macht das schonmal einen enormen Unterschied, was die aufgenommenen Kalorien angeht und hilft außerdem dem Körper, den Wasserhaushalt wieder an das Optimum heranzuführen.
Wieviel darf ich dann überhaupt noch essen, wenn ich abnehmen will?
Da streiten die Gelehrten … Klar ist, dass man dauerhaft nur dann sein Gewicht reduzieren kann, wenn man am Tag mehr Kalorien „verbrennt“ als man in Form von Nahrung und Getränken zu sich nimmt. Das sind bei Erwachsenen so circa 2000–3000 Kcal im „Normalbetrieb“. Das entspricht – logischerweise – in etwa den hiesigen Essensgewohnheiten. Pro Stunde Sport kommen dann je nach Intensität aber nochmal gut und gerne 700 Kcal. oder mehr dazu. Wenn ich also am Wochenende eine drei-, vierstündige, flotte Radtour mache, entspricht das von der Energiemenge in etwa einem Fastentag. Jeder kann nun jeden Tag neu für sich entscheiden, was ihm lieber ist. Für die meisten empfiehlt sich aus meiner Erfahrung auf Dauer ein gesunder Mittelweg zwischen Bewegung und Ernährung mit Spaß an beidem.
Und was kommt jetzt auf den Tisch?
Ach, da ändert sich die Lehrmeinung ja auch alle paar Jahre. Früher waren ja zum Beispiel Fett und Eier des Teufels. Heute liest man, dass ein Ei, logischerweise eigentlich, wenn man bedenkt wofür es da ist, dem perfekten Nahrungsmittel ziemlich nahe kommt. Und dass Butter und gute Öle wegen ihrer enorm wichtigen Inhaltsstoffe vom Speiseplan eigentlich gar nicht wegzudenken sind. Die einen sagen, Fisch ist gut, die anderen sagen, auf keinen Fall kann man heute mehr Fisch essen. Am Klassiker „Frühstücke wie ein König, …“ wird, gerade für Sportler, Stichwort „train low“, momentan auch überall gerüttelt. Und ganz generell scheinen Produkte aus Weizenmehl gerade auf dem Weg zum neuen „Staatsfeind Nr. 1“ zu sein, während man noch vor nicht allzu langer Zeit speziell Sportlern geraten hat, sich genau damit regelrecht vollzustopfen.
Und was raten Sie nun?
Ich rate hier zu Gelassenheit! Eine ausgewogene Grundernährung mit viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Vollkornbrot, Eiern und Rohmilchprodukten sowie dunkler Schokolade für den „Süßmagen“ lässt auch den regelmäßigen Verzehr von Fleisch und Fisch sowie von eher kohlenhydratlastigen Produkten wie Weißbrot, Kartoffeln, Reis, Pasta etc. zu. Gerade vor Wettkämpfen, aber dann auch unbedingt nicht erst am letzten Abend. Dazu reichlich Wasser, Tee, idealerweise grünen, und – ebenfalls Entwarnung – Kaffee, dann wird das schon … Denn am Ende kommt es ja, wie gesagt, in erster Linie auf die Summe an. Wirklich „böse“ sind da eigentlich nur die ganzen Fertigprodukte, denen man von außen nicht ansieht, wie energiereich und beladen mit Zusatzstoffen sie sind. Auch von so Sachen wie Fertigsaft, Smoothies oder Limonaden sollte man wirklich besser die Finger lassen und diese ganzen Frühstücksmüslis sind meist auch bis zum Rand voll mit Zucker. Lieber Obst selber frisch pressen und Haferflocken mit dunklen Schokoraspeln mischen, schmeckt, finde ich, sowieso viel besser!
Letzte Frage: Sie erwähnen häufig die „Sonderregeln“ für Sportler. Können wir darauf am Ende auch nochmal gesondert eingehen?
Ja, gerne. Ganz generell haben Sportler ein paar Dinge zu beachten, die für Nichtsportler eher egal sind. Das Erste ist, wie gesagt, der teils deutlich erhöhte Energieumsatz, den man mit einrechnen muss, im Positiven wie im Negativen. Dann, wie ebenfalls angedeutet, dass die Energie vor größeren Belastungen dem Körper durchaus auch mit erhöhtem Kohlenhydratanteil zur Verfügung gestellt werden sollte. Das sind dann die vielzitierten „vollen Kohlenhydratspeicher“, da ist aber tatsächlich auch was dran. Hinzu kommt bei vielen Athleten noch der Wettkampf an sich bzw. dessen unmittelbare Vorbereitung, wo Sportler auch auf spezialisierte Produkte wie Sportgetränke, Riegel, Gels, etc. zurückgreifen können. Was ich bei ambitionierter Herangehensweise auch durchaus empfehlen würde, wenn man denn speziell für sich auch passende Produkte gefunden hat, die man nachweislich gut verträgt. Denn die sind heute oftmals von der Zusammensetzung so gut, das kann man in der Form und vor allem unter Belastung mit herkömmlichen Nahrungsmitteln gar nicht leisten.
Und der letzte Punkt, den Sportler beachten müssen, und sicher nicht der unwichtigste, ist in der Folge natürlich die Regeneration. Hier kommt dann auch wieder die Ernährung ins Spiel und gerade nach großer sportlicher Belastung ist ein kleiner Teller Spaghetti Bolognese eigentlich genau das Richtige – wem allerdings schon bei dem Gedanken daran übel wird, findet auch hier sicher ein passendes Sportprodukt. Zum Beispiel eines mit BCAA, das sind verzweigtkettige Aminosäuren, die nach der Belastung besonders gut von der Muskulatur aufgenommen werden. Zum Abschluss auch noch eine gute Nachricht: Alternativ darf nach einem erfolgreich absolvierten Wettkampf oder einem umfangreichen Training auch mal hemmungslos zu Kuchen, Keksen, Schokolade oder Weingummis gegriffen werden, da schließt sich dann der Kreis.
Vielen Dank, wir gehen jetzt mal ’ne Runde laufen!
Viel Spaß!
Philip Messerschmidt ist Diplom-Sportwissenschaftler und arbeitet als Personal Trainer in Köln.